Gerade ist man noch mittendrin in der historischen Altstadt von Dinkelsbühl, doch dann lässt man schnell den Verkehrslärm, die Geschäfte und Hektik hinter sich. Hinter den Toren der Altstadt weist ein Schild den richtigen Weg: Hier geht es zum Marktgarten Buck! Man verlässt die Straße, biegt auf einem Feldweg ein und ist in einer anderen Welt: Sattes Grün, blühende Bäume, ein gemütliches lila Häuschen und zahlreiche Gemüsebeete. Genau hier lebt Martina Buck ihren Traum: Vor etwas mehr als drei Jahren tauschte die studierte BWLerin ihren Schreibtisch und ihren Computer gegen Schaufel und Harke. Heute betreibt sie ein Landwirtschaftsidyll - einen Marktgarten - auf dem umweltschonend auf kleiner Fläche leckeres und gesundes Gemüse anbaut wird.
Vielen Menschen geht es wie dem sprichwörtlichen Hamster im Rad: Wir setzen uns in der Arbeit sowie privat unter Druck und haben das Gefühl, immer perfekt funktionieren zu müssen. Man powert sich durch den ganzen Tag, durch das ganze Jahr, durch seinen Alltag - den Kopf immer voll mit Dingen, die man noch dringend erledigen muss. Die Folgen sind oft Überstunden, Stress, der dann oft im Burnout endet.
Nur wenige Menschen haben den Mut, ihr altes Leben über Bord zu werfen und nochmal neu anzufangen - so wie Martina Buck. Braun gebrannt, und das schon im April, entspannt und in bester Laune erzählt sie von den Anfängen ihres kleinen Unternehmens: » Vorher war ich CFO, Chief Financial Officer, in einer großen Baufirma. Es war immer zu viel in meinem Kopf, ich wollte das irgendwann nicht mehr, denn mein Leben ist nur noch so an mir vorbei gestrichen. So bin ich schließlich ausgestiegen, obwohl ich noch nicht wusste, was ich genau machen wollte. Also habe ich mir überlegt, was ich machen kann und nach einer Arbeit gesucht, die mir Spaß macht. Außerdem wollte ich selbstständig sein und natürlich davon leben können. Ich kam auf diesen Market Garden und dann habe ich überlegt, ob mir das gefallen könnte. Die erste Sache, an die ich gedacht habe, war, dass ich bestimmt auf dem Feld erfrieren werde«, erinnert sie sich heute noch schmunzelt. Sie lernt in der Corona Zeit online, mithilfe von Online-Videos die Grundlagen des Market-Gardening-Systems. Vorreiter dieser Bewegung ist der Kanadier Jean-Martin Fortier, der diese Methoden entwickelt hat, mit denen sich eine kleine Fläche Land bestmöglich ohne schwere landwirtschaftliche Geräte wie Traktoren und mit geringen Ressourcen nutzen lässt. Aber auch eine kleine Fläche Land für die Umsetzung ihre Pläne zu bekommen, stellte Martina zu Beginn vor große Herausforderungen, wie sie sich heute noch erinnert: »Es war echt hart. Wir sind hierher umgezogen, weil man Mann hier eine Arbeit hatte. Aber ich kannte hier niemand, das war am schwierigsten, weil ich so leider auch keine Beziehungen zu anderen Menschen hatte, die vielleicht Land zu verpachten gehabt hätten. Ich haben dann die Landwirte abgeklappert, ich bin mit dem Fahrrad um die Stadt gefahren - ich weiß nicht wie oft - und habe einfach die Leute gefragt, um an Informationen zu kommen!«
Ihre Hartnäckigkeit wird schließlich belohnt: »Dann bin ich auf dieses Stück Land hier gekommen. Es ist ein Garten, der einer Privatperson gehört, er war ziemlich verwildert und die Dame lebt auch nicht hier in der Region. Für mich war es sehr wichtig, dass ich nah an der Stadt bin, denn ich möchte Lebensmittel produzieren, die nah an der Stadt erzeugt werden und nicht ganz weit draußen. Viele Direktvermarkter haben meiner Meinung nach den Nachteil, dass man einfach ein begrenztes Angebot hat und die Leute, die dort etwas kaufen, vier oder fünf Anlaufstellen brauchen. Aber wer kann so viel Zeit fürs Einkaufen verschwenden? Die Leute haben keine Zeit, aber mit dem kurzen Weg ist es einigermaßen machbar.«
Martina Buck startet mit einem kleinen Feld und schafft zunächst die Infrastruktur auf ihrem neuen Stück Land. Hierfür baut sie zusammen mit einem Zimmermann eine große Gartenhütte für die Aufbewahrung der Gartengeräte und kämpft sich durch die komplizierte Installation einer Bewässerungsanlage. Außerdem beginnt sie fleißig in der Region Werbung zu machen, damit potenzielle Kunden auf sie aufmerksam werden. »Natürlich muss man sich auch vermarkten. Ich habe viel Werbung gemacht, ich habe Flyer ausgeteilt und war zweimal in der FLZ mit einem Artikel. Bei Instagram habe ich mit 19 Followern angefangen, jetzt bin ich bei 570 Leuten und da muss man posten und posten. Man muss immer an seiner Sichtbarkeit arbeiten, es verkauft sich nichts auf der ganzen Welt von selbst. Das sage ich auch jedem: Aller Anfang ist schwer. Du musst deine Ware zuerst verkaufen und dann anbauen, nicht andersrum. Da stelle ich jetzt fest, dass ich sehr zufrieden bin, wie es bei mir läuft, es geht langsam, aber stetig nach oben,« erzählt sie stolz.
Im ersten Jahr hat Martina Buck 30 Kunden, die ein Gemüse-Abo abgeschlossen haben. Hierfür buchen die Kunden für 30 Wochen, von Mitte April bis Mitte November einen der drei zur Auswahl stehenden Tarife. Möglich ist der »Genießer- Tarif« von 30 Abholungen in 30 Wochen, ein »Flexibler- Tarif« von 27 Abholungen in 30 Wochen oder der »Mini- Tarif« mit 15 Abholungen in dieser Zeit. Mittlerweile ist die Anzahl ihrer Kunden auf 50 Personen angestiegen, eine Zahl, mit der die Marktgärtnerin sehr zufrieden ist: »Im Moment habe ich einen Kunden-Aufnahme-Stopp. Die, die sich trotzdem melden, werden bei mir auf eine Warteliste gesetzt und wenn ich Gemüse übrighabe, rufe ich an. Sie können dann herkommen, sich umschauen und etwas probieren.«
Zu probieren gibt es im Marktgarten Buck jede Menge leckere Sachen, denn auf den zwei Feldern werden über das Jahr verteilt rund 40 verschiedene Gemüsesorten angebaut. »Salat gibt es bei mir immer. Es gibt Kopfsalat, Salanova-Salat in verschiedenen Ausprägungen, spezielle Salate wie Asiasalat, Rucola, Asiakohle wie Pak Choi oder Tatsoi, die immerzu gemischt werden mit verschiedenen Wildkräutern wie zum Beispiel Blutampfer. Dann gibt es Rote Beete, Fenchel, Zuckerschoten, Lauch, Mangold, Mairüben, Möhren, verschiedene Kohle wie Blumenkohl oder Brokkoli. Außerdem Erbsen, Tomaten, Gurken, Zucchini und Ingwer. Und dann gibt es noch immer einen Bund Kräuter, und zwar die ganz gewöhnlichen Küchenkräuter. Da hat man eine sehr gute Abwechslung.« Jeden Donnerstagnachmittag erhalten ihre Abonnenten dann sieben Sorten saisonales, frisch geerntetes Gemüse. Das wird ohne Verpackung in mitgebrachte Netze direkt auf dem Feld an der Ausgabestation persönlich übergeben.
Diese Direktvermarktung, also ein Vertrieb direkt an die Kunden persönlich, ohne Zwischenhändler und ohne weite Transportwege ist der Geschäftsinhaberin sehr wichtig: »Das ist für mich Chefsache. Selbst wenn ich 100 Angestellte hätte, würde ich mich vorne hinstellen, wenn die Kunden kommen. Ich will die Leute kennen, ich will wissen, wie das Kind und wie der Hund heißt. Das würde ich nie missen wollen, weil alles andere ist nur einen Klick von der Kündigung weg. Für mich ist mein Job sehr erfüllend, weil es eben nicht »nur« gärtnern ist. Ich habe ein Produkt, das ich meinen Kunden persönlich übergebe. Anderen Landwirte kennen nur ihren Großhandel, den sie tonnenweise beliefern müssen. Und niemand kennt sie, sie produzieren zwar, aber niemand weiß, von wem welches Produkt ist, das finde ich sehr traurig. Bei mir hingegen bliebt die Wertschöpfung, deswegen muss ich nicht hektarweise anbauen.«
Genau das ist auch der Gedanke hinter dem Prinzip des Market-Gardenings: Direktvermarktung von leckerem und gesundem Gemüse, das auf kleiner Fläche angebaut wurde. Was im ersten Augenblick nach an einen großen Düngemitteleinsatz klingt, erweist sich als genau das Gegenteil. Die Gemüsepflanzen werden zwar dicht an dicht gepflanzt, um möglichst viel Ertrag auf kleiner Fläche zu erzielen, aber es kommen keine schweren Maschinen zum Einsatz, die den Boden verdichten würden. Die Beete werden in Handarbeit mit unterstützenden Geräten wie einer Broadfork, einer Grabegabel oder einer Handsähmaschine, bearbeitet. Hierbei ist es wichtig, dass der Boden nicht umgegraben oder umgeschichtet wird, wie Martina Buck erklärt: »Mit dem Umstechen schaufeln wir die Lebewesen von oben nach unten und die, die unten sein wollen, die schaufeln wir nach oben. Es ist schlecht für den Humusaufbau. Oft lässt man den Boden außerdem noch brach liegen und es weht immer der Wind drüber, und bläst die Erde weg. Deswegen lassen wir unsere Erde immer bewachsen oder bedeckt. Ich arbeite hierfür viel mit Grünschnittkompost oder Stroh, so dass ich oben auf der Erde immer eine Kompostschicht habe, die sich erhitzt. Das organische Mulch-Material verrottet mit der Zeit und zersetzt sich. Darunter leben die Laufkäfer und verschiedene andere Tiere, die gut für den Boden sind«, erläutert sie ihr Vorgehen. Statt Chemie werden Insektenschutznetze und vorbeugende Spritzungen mit Kräuterbrühen wie Ackerschachtelhalm vorgenommen, Schädlinge wie Nacktschnecken werden von Hand angesammelt oder mit Bierfallen gefangen. Zusätzlich arbeitet Martina Buck mit Nützlingen wie Marienkäferlarven gegen Blattläuse, Schlupfwespen oder Nemathoden für den Boden und die Bewässerung läuft tröpfchenweise direkt an der Pflanze.
Bereut hat sie ihren Schritt in ihr neues Leben und die Selbstständigkeit nie, wie sie heute nach drei Jahren festhalten kann: »Es ist ein wahnsinnig toller Job. Klar, man verdient nicht mehr so viel wie früher, reich wird man mit so was nicht, aber man hat etwas anderes dafür, man hat Lebensqualität!«
Wenn du Lust hast, kannst du Martina Buck und ihr Unternehmen bald selbst kennenlernen: Am 04. Mai 2024 findet auf dem Feld des Marktgarten Buck zum ersten Mal ein Jungpflanzenmarkt statt. Dort können Gartenbesitzer selbst gezogenes Fruchtgemüse wie Gurken, Tomaten, Kürbisse, Zwiebel von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr erstehen und sich nebenbei noch Kaffee und Kuchen schmecken lassen!