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Kultur

» Auf jenisch diwere? – Die alte Schillingsfürster Geheimsprache «

13. Juni 2022 | Kultur|0|
Sind Dir schon einmal die ungewöhnlichen Schilder in Schillingsfürst aufgefallen? Beim Bäcker steht der »Lechumschupfer«, beim Zahnarzt der »Nepferizupfer«, beim Lehrer der »Duftschaller«? Nein? Sie erinnern an die alte Geheimsprache Jenisch, und sollen diese immer mehr in Vergessenheit geratene »Loschen« (Sprache) am Leben erhalten.
 
Schild zur Jenischen Sprache in Schillingsfürst

Der Sprachname Jenisch geht zurück auf das romani Wort »dšan«, das »wissen, kennen« bedeutet. Übersetzt ist Jenisch folglich »die Sprache der Wissenden«. Es handelt sich um eine Sprechsprache, die früher mündlich von einer Generation zur nächsten übermittelt wurde. Weil nur noch wenige den alten Wortschatz des Jenischen pflegen, ist die Geheimsprache der Schillingsfürster bedauerlicherweise vom Aussterben bedroht. Um das zu verhindern haben die beiden Initiatoren Markus Löschel und Johannes Munique die Sprache und das Leben der jenisch Sprechenden in einer Sonderausstellung des Ludwig-Dörfler-Museums dokumentiert.

Schon vor ein paar Jahren hatten die beiden Fans der alten Sprache die Idee das Kulturgut »Jenisch« zu dokumentieren. Im Jahr 2019 präsentierten Sie dann dem Schillingsfürster Stadtrat ihr Museumskonzept. Nur mit ihrem ehrenamtlichen Einsatz, privaten Spenden und Zuschüssen der LAG Region an der Romantischen Straße e. V. wurde dann im Jahr 2021 das Museum der Jenischen Sprache Schillingsfürst im »Theaterchen« eröffnet. Das Nebengebäude des ehemaligen Amtsgerichts gehört zum Ludwig-Doerfler-Museum, das dem berühmten Maler Ludwig Doerfler gewidmet ist, der selbst noch des Jenischen mächtig war.
 
Charakteristisch für das jenische Sprachgut ist der oft bildhafte, gelegentlich sogar respektlose Umgang mit Autoritäten, da wird der Polizist zum »Schucker«, der Richter zum »Schankler«, der Tierarzt zum »Gleistrampelmarodepink« und die Hand zum »Griffling«. Die jenischen Begriffe fügen sich nahtlos in die Hohenloher Mundart ein, doch auch die wird immer weniger gesprochen.
 
Aber wie kam das Jenische eigentlich nach Schillingsfürst? Im Jahr 1757 lockte der damalige Regent, Karl Albrecht I., Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst mit einem großen Bauprojekt neue Siedler in die Stadt. Um den Handwerkern darüber hinaus eine Lebensgrundlage zu schaffen, wurde jedem, der katholisch war und der keine schwere Straftat begangen hatte, vom Fürsten Land und Bauholz versprochen. Neben weiteren Handwerkern kamen auch Händler, Bettler und fahrendes Volk nach Schillingsfürst. Letztere brachten das »Rotwelsch« mit und in der neuen Heimat bildete sich dann die eigenständige Sprache des Jenischen, deren Ursprünge als Rotwelsch-Dialekt bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts nachweisbar sind.
 
Viele der neuen Siedler waren bitterarm und verdienten sich als Tagelöhner ihr tägliches Brot und wenn es nicht reichte, musste notgedrungen halt »gezupft«, also gestohlen werden. Dabei half die Gaunersprache den dabei Ertappten, sich untereinander zu verständigen, ohne dass Polizei oder die Behörden etwas mitbekamen. Nach der Abwanderung des fahrenden Volkes, wurde Jenisch dann von einer bestimmten Bevölkerungsschicht (zum Beispiel den Maurern »Kletterer«, Zimmerleuten »Sprausfetzer« und Hilfsarbeitern »Härtlingsbuckler«) weitergesprochen und diente so auch der Abgrenzung zu anderen Bevölkerungsschichten und der Gemeinschaftsbildung.
 
Blick ins Museum

Sätze wie »Der Lazl vo dem Hopf um den Gori, wo der mant, den ko er schefte losse, i baschn nowes um den Pich!«* – sollen in Schillingsfürst erhalten bleiben, dafür kämpfen Markus Löschel und Johannes Munique. Verständlich und kurzweilig bietet ihr kleines Museum daher eine Fülle von Informationen rund um die faszinierende alte Geheimsprache: Bilder und Dokumente die meisten aus eigener mühevoller Recherche stammen sowie liebevoll umgesetzte Karikaturen und Zeichnungen vermitteln dem Besucher mit viel Herzblut die Faszination »Jenisch«. Außerdem fanden die beiden in einer aufwändigen Gegenüberstellung von 1700 Jenisch-Begriffen heraus, dass es kein typisch Schillingsfürster Jenisch gab, die Stadt aber durch die Sprache mit rund 50 anderen jenisch sprechenden Ortschaften verbunden war.

Unermüdlich arbeiten die Beiden ehrenamtlich an Ihrem Herzensprojekt: Künftig soll man dank einer Multimedia-Einheit sogar jenisch hören oder Filme ansehen können. Im Dezember 2021 erschien museumsbegleitend das 70-seitige Buch »Schillingsfürster Jenisch«, dass mit umfassenden Informationen, Beispielsätzen in Jenisch und den Zeichnungen von Robert Hellenschmidt die alte Gaunersprache wieder lebendig werden lässt. Für interessierte Schulen haben die beiden Initiatoren Lernmaterial entworfen. Ein Theaterstück auf jenisch ist schon fertig und eine Arbeitsgruppe zum Jenischen im Gespräch. Durch ihren unermüdlichen Einsatz haben Johannes Munique und Markus Löschel zumindest erreicht, dass die alte Sondersprache wieder ins Bewusstsein der Menschen dringt. Und wer weiß? Möglicherweise erwacht das Interesse an der alten Gaunersprache auch unter den jungen Leuten wieder und es werden schon bald WhatsApp-Geheimnachrichten auf Jenisch versendet?

Weitere Informationen rund um das Museum findest Du in unserer Rubrik »Kultur & Co.« unter Museum der Jenischen Sprache Schillingsfürst. Wer darüber hinaus mehr über die jenische Sprache erfahren möchte, dem sei das Büchlein »Geheimsprache in Franken - Das Schillingsfürster Jenisch« von Edith Nierhaus-Knaus empfohlen, dieses kann bei der Touristikgemeinschaft Frankenhöhe gegen eine geringe Gebühr per Post bestellt werden.
 
Wir wünschen viel Spaß im Museum und beim »Jenisch diwere!« (Jenisch plaudern!)
 

Julia & Sandra

Übersetzung: * Das Schaf von dem Bauern, um das Geld, das der meint, das kann er sein lassen, ich kaufe es ihm nicht ab um den Preis!